4. Das Gute – Das Himmlische Jerusalem

D. Gustav Nebe hielt nicht nur die Schlußliturgie in der Erlöserkirche für die aus aller Welt herbeigeströmten kirchlichen und weltlichen Würdenträger, er predigte auch von einem Fischerboot auf dem See Tiberias seinen Mitpilgern so ergreifend, daß diesen war, als täte sich der Himmel auf und ließe sein beseelendes Licht auf sie strömen, in welchem die Stimme des Herrn vernehmbar wurde: ‚ich bin da‘ – diese hoffnungsfrohe Weltsicht Gustavs Nebes um so bewunderungswürdiger, als Münster, sein Amtssitz, schon einmal das Himmlische Jerusalem gewesen war und zwar in den 30ern des 16. Jahrhunderts, wo die schwärmerischen Täufer die Führung übernommen, die Stadt in das namentlich so genannte ‚Himmlische Jerusalem‘ verwandelt, die Gütergemeinschaft gepflegt, wegen des hohen Frauenüberschusses die Vielweiberei eingeführt, kurz einen frühchristlichen Kommunismus gelebt hatten, nichtsdestotrotz oder auch folgerichtig den Täufer Jan van Leiden zum König Johannes 1. wählten, jeden Widersprechenden lobenswert folterfrei hinrichten ließen und 1534 das Nahen des Herrn nicht weniger heißherzig ankündigten, als späterhin Gustav Nebe auf dem Tiberias, woraus (aus dem Nahen des Herrn) aber nichts wurde, (oder doch?), da etwas später der zuständige Bischofsfürst von Waldeck die Stadt zurückeroberte und die wichtigsten Oberhäupter des Himmlischen Jerusalem auf dem Prinzipialmarkt zu Füßen der Lambertikirche öffentlich zu Tode foltern ließ, indem er ihre Zungen mit glühenden Zangen herausreißen ließ unter den entsetzlichen Schreien der Gequälten aus ihren blutüberströmten Mündern, der alsdann ihre Glieder langsam, aber unaufhaltsam mit Pferdegespannen aus ihrem Körper zerren und schließlich die noch immer lebenden Rümpfe erdolchen ließ, um die geschundenen Leichenteile in eisernen Körben am Turm der Lambertikirche umgehend zur Schau zu stellen, welche Körbe bis heute noch an der Kirche hängen.Auf diese Weise wurde Münster, das einmal protestantisch gewesen war, allmählich rekatholisiert und der evangelische D. Gustav Nebe, obwohl von zarter Statur, eiserner Rammbock im „Kulturkampf“ Bismarcks, hierbei streitbar unterstützt, wenn auch ungeeignet, von seinem Sohn, dem einzigen Protestanten auf dem Schulhof zu Münster nach desselben Angaben, („Ich lüge nie, aber ich übertreibe maßlos“ – O-Ton: Hermann Nebe), welcher letzterer den siegreichen Verteidigungstrick erfunden hatte, sich mit dem Kopf voran in die Brustkästen seiner erschütterten katholischen Mitschüler zu stürzen – besagter siegreicher Kampftrick deswegen ungeeignet, weil es bei dem Bismarckschen „Kulturkampf“ weder um Vertreibung, noch Vernichtung der katholischen Glaubensbrüder, sondern um eine ausgewogene Durchmischung der deutschen Länder mit den christlichen Konfessionen zwecks gegenseitiger Annäherung bzw. Politisierung bzw. Entgenialisierung oder Entkultivierung (unter der Decke der Rekultivierung) oder Entromantisierung zugunsten einer allgemeinen, tatkräftigen zentralmonarchisch gestützten Reglementierung bzw. Zivilisationierung oder reichsdeutschen Gesamtsubalternisierung, mit bürgerlichem Ehe- und Scheidungsrecht ging – infolge-dessen gründete D.Gustav Nebe in seiner 22 Jahre währenden westfälischen Amtszeit 68 neue protestantische Gemeinden.  [1]Er suchte lange und besessen die von Freiliggrath besungene Trompete von Vionville und fand sie endlich im Trompeterkorps der 7. Kürassiere. Er hängte sie in den Halberstädter Dom, (später bekam sie einen Platz in der Gedächtniskapelle des ersten Weltkrieges der Peter-Paulskirche).

Die Trompete von Vionville
16. August 1870 von Ferdinand Freiligrath

Sie haben Tod und Verderben gespien:
Wir haben es nicht gelitten.
Zwei Kolonnen Fußvolk, zwei Batterien,
wir haben sie niedergeritten.

Die Säbel geschwungen, die Zäume verhängt,
tief die Lanzen und hoch die Fahnen,
so haben wir sie zusammengesprengt, –
Kürassiere wir und Ulanen.

Doch ein Blutritt war es, ein Todesritt;
wohl wichen sie unsern Hieben,
doch von zwei Regimentern, was ritt und was stritt,
unser zweiter Mann ist geblieben.

Die Brust durchschossen, die Stirn zerklafft,
so lagen sie bleich auf dem Rasen,
in der Kraft, in der Jugend dahingerafft, –
nun, Trompeter, zum Sammeln geblasen!

Und er nahm die Trompete, und er hauchte hinein;
da, – die mutig mit schmetterndem Grimme
uns geführt in den herrlichen Kampf hinein,
der Trompete versagte die Stimme.

Nur ein klanglos Wimmern, ein Schrei voll Schmerz,
entquoll dem metallenen Munde;
eine Kugel hatte durchlöchert ihr Erz, –
um die Toten klagte die wunde!

Um die Tapfern, die Treuen, die Wacht am Rhein,
um die Brüder, die heut gefallen, –

um sie alle, es ging uns durch Mark und Bein,
erhub sie gebrochenes Lallen.

Und nun kam die Nacht, und wir ritten hindann
rundum die Wachfeuer lohten;
die Rosse schnoben, der Regen rann –
Und wir dachten der Toten, der Toten!

D. Gustav Nebe vorne auf der Hohenzollern

D. Gustav Nebe vorne auf der Hohenzollern

Gustav Nebe mit Zylinder und Zigarre auf der Jerusalemreise

Gustav Nebe mit Zylinder und Zigarre auf der Jerusalemreise

Kaiser Wilhelm  II. und seine Gemahlin Auguste  Victoria  mit ihrem Gefolge nähern sich der Erlöserkirche in Jerusalem

Kaiser Wilhelm II. und seine Gemahlin Auguste Victoria mit ihrem Gefolge nähern sich der Erlöserkirche in Jerusalem

Das deutsche Kaiserpaar 1898 vor der Jerusalemer Erlöserkirche; D.Gustav Nebe das Herrscherpaar vor dem Kirchenportal empfangend, in der ersten Reihe 2. V.li.

Das deutsche Kaiserpaar 1898 vor der Jerusalemer Erlöserkirche; D.Gustav Nebe das Herrscherpaar vor dem Kirchenportal empfangend, in der ersten Reihe 2. V.li.

Fussnoten

  1. zudem das Diakonissen-Mutterhaus zu Witten, die Herberge zur Heimat, (vornehmlich für Handwerksgesellen auf der Walz), begründete und leitete eineinhalb Jahrzehnte den Kindergottesdienst in Münster, organisierte und berief die Geistlichen zum Gottesdienst für die Kanal-Bauer des Dortmund-Ems-Kanals, auch in polnischer Sprache für die protestantischen polnischen Gastarbeiter