Volker Köpp

ERINNERUNGEN AN SUSANNE KANDT / HORN

Volker Köpp

Volker Köpp in seiner Ahlbecker Galerie

Vor ein paar Tagen rief mich Ricarda an, ob ich nicht etwas über ihre Mutter in der Kunstzeitung schreiben könnte, sie hätte da eine kleine Radierung mit Widmung von mir an ihre Mutter gefunden. Dem komme ich hiermit gern nach und muss allerdings weit zurück in meine Vergangenheit unserer gemeinsamen DDR-Zeiten eintauchen:

Als ich 1981 als diplomierter Absolvent der Dresdner Hochschule für Bildende Künste wieder in meine Ahlbecker Heimat zurückkehrte in mein altes Kinderzimmer bei meinen Eltern, schrieb sogar die Ostseezeitung einen winzigen Artikel, indem es hieß, ein junger Dresdner Künstler würde auf der Insel Usedom angesiedelt. Zu den damaligen Ritualen der politischen Strukturierungen war es nun erforderlich, Mitglied im Verband Bildender Künstler zu werden, wozu ein Mentor als Betreuer, aus der jeweils ansässigen Künstlerschaft eines Absolventen, angeordnet war. Das war so eine Art 3-jährige Bewährungszeit.

Die Usedomer Künstlerwelt kannte ich überhaupt sehr wenig, weil ich die Insel bereits im Alter von16 Jahren verlassen musste. Auf meiner Mentorensuche rief ich u. a. auch die Malerfamilie Kandt an und wurde abschlägig beschieden. Es schien niemand Interesse zu haben, sich einer zusätzlichen Belastung mit einem Absolventen einlassen zu wollen. So bekam ich schließlich vom Verband Bildender Künstler, ähnlich wie beim Gericht, einen Pflichtmentor gestellt.

 

Volker Köpp: Grafik für Susanne Kandt-Horn

Volker Köpp, „Paar“ , Lithografie

Als sich die gesamte Usedomer Künstlerschaft von der Parteiführung des Kreises geladen im “Roten Oktober” in Zinnowitz traf, machte Herr Kandt die Bemerkung, dass es für einen jungen Künstler ein Bedürfnis sein müsste, sich für die erfahrenen Kollegen zu interessieren und sich auch mal sehen zu lassen. Zunächst dachte ich noch, der meint doch nicht dich, aber als er nach längerem Zeitraum davon noch einmal anfing und in meine Richtung sah, fühlte ich mich doch angesprochen und antwortete, dass er wohl kaum erwarten dürfte, dass ich ihn aufsuche, nachdem er eine Mentorenschaft über meine Kandidatur für den Verband Bildender Künstler abgelehnt hatte!” Worauf er meinte, dass dies nicht der Wahrheit entspräche.

Das war was, vor dem hiesigen Parteiapparat, aber insgesamt typisch für meinen Einstieg ins Künstlerleben. Trotzdem blieb ich bei meiner Behauptung. Und dann passierte es. Ein kleines Wunder. Frau Susanne Kandt-Horn sagte, es stimmt was Herr Köpp da sagt. Stille. Dann die sprachlichen Querelen von Herrn Kandt, er sprach wortwörtlich von einem” Leberhaken”, den ich ihm versetzt hätte, trat dann aber die Flucht nach vorn an, die in einer Einladung zu den Kandts mündete.

So lernte ich Susanne u. Manfred bei Kaffee und Kuchen mit schöngeistigen Gesprächen, über Gott und die Welt, wie man heute so auch noch sagen würde, in ihrem wunderbaren Künstlerhaus in Ückeritz kennen. Es war mir ein Vergnügen, mal aus Büchern zu hören, deren Inhalte leider im allgemeinen in Schränken u. Bibliotheken ungenutzt ausharren und tauchte ein in die mir beinahe verschlossen gebliebene private Kunstwelt der Kandts. Eine exotisch anmutende Welt innerhalb der Tristesse eines DDR-Alltages. Die Farbigkeit ihrer Bilder wirkte kostbar und erlesen, die Kompositionen klassisch, rhythmisch und ausgewogen gestaltet. Eine eigene geistige Welt in dieser Welt zu erschaffen ist nicht jedem gegeben, aber hier kann man einfach mal davon ausgehen. Sie assoziieren den Sinnen, ein in die Ferne schweifen, mal anderes zu sehen, ja gar zu verreisen oder zu träumen, eben eine poetische Bildsprache, geschöpft aus dem Wissen ethischer Hochkulturen des Homo sapiens .

3 Jahre später, bei der Aufnahmekommission des Vorstandes des Verband Bildender Künstler, half mir unerwartet Manfred, der auch Vorstanddmitglied war (mein Pflichtmentor fehlte unentschuldigt), als es darum ging, meine Aufnahme in der Verband zu verhindern, so dass ich letztendlich doch noch aufgenommen wurde.

Also so gesehen, wurden die Kandts ungewollt irgendwie doch meine Mentoren, wovon die zu Beginn im Text von Ricarda erwähnte Grafik für Susanne Zeugnis ablegt. (Abb.)


intern:
diese Episode aus dem “Nähkästchen” zeigt auf, wie brisant für mich die Situation eigentlich war und welchen Bärendienst ich den Kandts verdanke. Denn so “richtig” hatte ich mich in den Augen der “Machthaber”auf der Insel nicht bewährt. So hatte ich doch bsp. eine eigene kleine private Galerie ins Leben gerufen, mich als parteiloser für die NDPD im Ahlbecker Gemeinderat als Abgeordneter aufstellen lassen. Nun versuchte man mich mit allen Mitteln zu diesem einem Parteieintritt zu “überreden”. Es fällt mir auch heute schwer darüber zu schreiben, dass ich eine hochrangige Parteidelegation aus Rostock, als sie mich trotz meiner Krankschreibung aufsuchte, nebst dem Parteieintrittsformular aus “meiner” Wohnung verwies (aus der ich übrigens sofort danach rausgeklagt wurde, -stell Dir nur sowas einmal heute vor, liebe Ricarda- und ich wollte doch auf keinen Fall zweimal am System scheitern, schon gar nicht in einem freiheitlichem System) Vor diesem Vorfall gab es allerdings noch einen von der NDPD arrangierten Besuch bei einem gestandenem Rostocker Bildhauer, der Mitglied der NDPD war und auch dem Vorstand des Verbandes Bildender Künstler angehörte, aber ausgerechnet dieser sprach sich nun gegen meine Aufnahme in den Verband aus.
Aber da trat plötzlich Manfred in den “Ring” und setzte sich für mich ein und auch durch.

PS: Aus dem heutigem besserwissenderen Blick betrachtet, wäre ich all den staatlichen Maßgaben (Partei,Stasi,etc.) gefolgt, so hätte ich meine immer noch bestehenden Ansiedelungsprobleme mit Sicherheit nicht.