13. Die Passion des Realen I

Gustav Nebe erlebte den Eisenacher Ruhm seines Sohns nicht mehr. Aber er erlebte, wie dieser jeden Morgen vor Dienstbeginn hoch zur Wartburg und weiter stieg hinauf auf den Burgfried und dann in Richtung des Hainstains blies, des Nachbar-Bergs, auf dem sich das Schlößchen Hoherhainstein erhob. Er blies mit weittragenden Klängen, deren Schmelz und Strahlkraft gerühmt wurden. In diesen Tagen blies er die Arie des Rodolfo aus La Boheme:

Wer bin ich? Ich bin ein Dichter.
Was ich tue? Ich schreibe.
Und wie ich lebe? Ich lebe.
In meiner frohen Armut
Verprasse ich wie ein großer Herr
Reime und Liebeslieder.
An Träumen und an Chimären
Und an Luftschlössern ist meine Seele reich.
Bisweilen aus meiner Schatzkammer
Stehlen alle Juwelen
Zwei Diebe: schöne Augen

Gedenkplakette am Kürschnerhaus

Gedenkplakette am Kürschnerhaus, vom Rat der Stadt Eisenach nach der Wende und nach der Renovierung angebracht

Josef Kürschner hatte sich mit der deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart zerarbeitet, oder sie einfach nicht mehr nötig. Er verließ Stuttgart 1892 und baute sich sein Schloß mit Wikingergiebel auf dem Hainstein in Eisenach.

Rätselhafterweise baute der skeptische Aufklärer, angepaßt an den Zeitgeist, im antiklassizistischen, antiaufgeklärten Sehnsuchtsstil der Kaiserzeit, während sein Antipode, der christliche Utopist Gustav D. Nebe das seinige in einem klassischen italienischen Stil im Palmental baute auf streng temperatur-ökonomischem, quadratischem Grundriß mit Regenwasser-Aufbereitungsanlage (in welchem Wasser die Familie gebadet und die Wäsche gewaschen wurde) und einem wegweisenden ökologischen Fallclo-Fäkalien-Recyclingsystem über 3 Stockwerke hinweg.

Auf dem Hohenhainstein lebte Kürschner mit seiner Frau Emma Haarhaus, der Tochter von Robert Friedrich Haarhaus, des Gründers eines der ältesten deutschen Farbenfabriken, der Kölner Lackfabrik Herbig-Haarhaus, wobei Herbig der Schwiegersohn war.

 Das Nebe’sche Palmentalhaus

Das Nebe’sche Palmentalhaus, 1906, Kindheitshaus von SKH, (mit Gartenhaus)

Haus Hohenhainstein

Haus Hohenhainstein ob Eisenach ,(nach der Renovierung und ohne Wikingergiebel), Geburtshaus von SKH

Es waren die berühmten Gründerjahre, und die Farbenfabrik von Köln gedieh schnell zur bedeutendsten Farbenfabrik des damaligen Europas, Gründer der Marke Herbol, heute ein global player der anspruchsvollen Baufarben und –beschichtungen unter dem Dach der BASF. Ein kostbarer Anlaufpunkt der Weltkulturen ist das von Haarhaus gegründete „Herbig- Das Haarhaus-Lackmuseum“, das inzwischen in Münster (dem verblichenen Himmlischen Jerusalem) einen würdigen Standort gefunden hat.

Herzog Ernst II. hatte Kürschner 1881 zum Professor, 1884 zum Hofrat und 1888 zum Geheimen Hofrat ernannt. Dieses hohe Amt war mit dem Ernestinischen Großkreuz mit Schärpe verbunden, dem späterhin der preußische Schwarze Adlerorden folgen sollte. Die Ernennung zum Hofrat begründete Ernst so: „Kürschner ist kein ungefährlicher Mann und ich möchte ihn mir nicht zum Feind machen, da er eine nicht unbedeutende Rolle in der Presse spielt.“. [1]

Nun erlaubte der Herzog ‚seinem‘ Kürschner jenseits der „Blauen Linie“, auf dem der Wartburg nächst gelegenen Berg, dem Hohen Hainstein, zu bauen, wo nur er, der Herzog, Baurecht hatte. Es wurde das höchste und einzige Haus Eisenachs jenseits der besagten Linie.

Während Kürschner baute, hatte der deutsche Kaiser in China entgeltlos auf 99 Jahr eine kleine Kolonie gepachtet. Es handelte sich um Kiao-Tschou, eigentlich nur Hafen und maritimer Stützpunkt, aber dann kam der deutsche Fleiß und bohrte Kohlebergwerke in die Tiefe, baute steinerne deutsche Häuser, Kapellen, Kirchen, Brauereien, eine Telegraphenstation und seit 1909 eine Universität, also eine deutsche Stadt, Tsing tau, (Quingdao), mit einem richtigen Bahnhof und einer Verbindung zur Transsibirischen Eisenbahn, was die Tsingtauer Bürger in die Lage versetzte, innerhalb von 13 Tagen auf dem Landweg Deutschland zu erreichen. (Der heutige Transeurasia braucht 16 Tage.)

Einband von Kürschners China-Buch

Einband von Kürschners China-Buch

Die alten Chinesen jedoch sahen das feng shui gestört. Das gestörte feng shui zermürbte die Boxer, bis es sie rasend machte und der Boxeraufstand los ging und sich einfach gegen alles richtete, was feng shui störte, bis er sich auf die Ausländer stürzte. Ausländer raus! Der deutsche Gesandte wurde von Pekinger Regierungssoldaten auf offener Straße erschossen. Darauf schickte der nun seinerseits rasende deutsche Kaiser ohne formelle Kriegserklärung ein 15 000 Mann starkes „Expeditionskorps“ ins Reich der Mitte und hielt in Bremen bei der Verabschiedung desselben im Juli 1900 die furchtbare Hunnenrede: „…Kommt ihr vor den Feind, so wird er geschlagen, Pardon wird nicht gegeben; Gefangene nicht gemacht. Wer euch in die Hände fällt, sei in eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschlands in China in einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen…   [2]

Und nun Joseph Kürschner! Er plante eine mehrbändige China-Ausgabe, die den entschlossenen Vergeltungsschlag des deutschen Kaisers facettenreich feierte und gleichzeitig die Kultur des Reiches der Mitte den weitesten deutschen Kreisen nahe brachte unter Berücksichtigung der großen, wahrhaft königlichen Aufgabe, die altehrwürdige chinesische Kultur mit deutscher Hilfe und Wilhelminischer Weisheit zur Gegenwart zu geleiten.(3)

Einband von „Karl May Briefwechsel mit Joseph Kürschner“

Einband von „Karl May Briefwechsel mit Joseph Kürschner“ Bamberg Radebeul 2013

Für den belletristischen Teil verpflichtete er u.a. seinen Bestseller-Autor Karl May und dieser gab später an, er hätte keine Ahnung gehabt, daß es in Kürschners China um die ‚patriotische‘ Verherrlichung des ‚Sieges‘ über das Reich der Mitte gehen würde, ‚während er sein armes kleines dünnes Stimmchen erhoben und voller Angst gebettelt habe‘ „Gebt Liebe nur, gebt Liebe nur allein!“ [3]

Es war Mays „Et in terra pax – Und Friede auf Erden“, ein unüberhörbare Mahnung zum Frieden. Es war das letzte, was Karl May seinem wohl ältesten und langjährigen Herausgeber schickte. May antwortete danach nicht mehr auf Kürschners Briefe. Die über 2 Jahrzehnte gehende, überaus produktive Verbindung brach ab. Wenige Monate darauf starb Josef Kürschner, nicht mal 50jährig.

Sein Förderer Ernst II. galt als Modernisierer, Unterstützer der 48er, Vorkämpfer der großdeutschen Lösung und Gegenspieler Bismarcks. Nichtsdestotrotz hatte dieser es geschafft, Ernst II. als markanten und tragenden Pfeiler in das politische Gebäude des deutschen Kaiserreichs einzubauen. Die Ernestinische Kulturpolitik hat eine leuchtende Spur in der kulturellen Weltgeschichte hinterlassen. Der Schriftsteller Gustav Freytag, einer der herausragenden Köpfe der 48er, der, wie Schurz und Kinkel vor der preußischen Justiz fliehen mußte, fand bei Ernst Asyl, woraus schließlich Freundschaft wurde. Unter Ernsts Ägide profilierte sich die Großherzoglich-Sächsische Kunstschule Weimar mit der von Brütt geleiteten Bildhauerschule, (seine kühne Mommsenskulptur steht noch immer unbeschadet vor der Humboldt-Uni Berlin), und der von Van der Velde eingerichteten Kunstgewerbeschule Weimar schließlich zur Großherzog-lich-Sächsischen Hochschule für bildende Kunst in Weimar. Ernst höchstselbst holte auch Gropius nach Weimar und Mackensen und den Bildhauer Sascha Schneider, letzterer der Welt bekannt durch seine symbolistischen Einbandgestaltungen für Karl May.

Das machte alles zusammen, daß Weimar nach seiner Klassiker-Zeit noch ein zweites Mal hot spot der Welt-Kultur-Geschichte wurde. Hier hatte die europäische Moderne einen viel beachteten Auftritt. 1919 vereinigten sich die Großherzoglich-Sächsische Hochschule für Bildende Kunst in Weimar und die sehr innovative, von van der Velde gegründete und im Krieg stillgelegte Kunstgewerbeschule Weimar unter Gropius zu dem berühmten Weimarer Bauhaus, heute die Bauhaus-Universität Weimar. Ebenso verwandelte sich die von Franz Liszt gegründete Orchester- und Musikschule Weimar 1902 in die Großherzogliche Musikschule Weimar, die heute als Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar einen hervorragenden Ruf verteidigt. Der Großherzog von Sachsen-Coburg und Gotha, der hinter diesen innovativen Entwicklungen mit enormen Förder- und Unterhaltungsmitteln stand, war also die noble Referenz Josef Kürschners gewesen.

Herzog Ernsts jüngerer Bruder Albert wurde der Ehemann der Königin Victoria von Großbritannien, deren Tochter Victoria, Royal Princess von Großbritannien und Irland, den Sohn Wilhelms I. nämlich Friedrich III. den 99-Tage-Kaiser heiratete und somit Königin von Preußen und für 99 Tage Deutsche Kaiserin wurde. Es heißt, sie war von ihrem deutschen Vater zu keinem anderen Zweck erzogen worden, als den: einen preußischen Prinzen zu heiraten, um am preußischen Hof die Ideen der konstitutionellen Monarchie zu verbreiten, u.a. in der Hoffnung, einen deutschen schwergewichtigen Zentralstaat, wie er dann kam, zu verhindern. Das merkwürdige Deutschland hatte jedoch von Anfang an, seit dem es überhaupt das Wort Deutschland gab, seit dem frühen Mittelalter nicht als Nationalstaat, sondern als eine Art übernationales Weltreich mit einigen wenigen, allen seinen vielsprachigen Gliedern gemeinsamen Reichsinstitutionen, bestanden. Es galt also, aus den ungefähren deutschen Gespinsten einen modernen handlungsfähigen Staat zu machen. Demokraten wie Sozialisten arbeiteten daran, nicht weniger die Nationalen, welche letztere dem vielstimmigen deutschen Chor eine allen gemeinsame patriotische Basis geben wollten. Es war dieses Ziel, das Bismarck und seine Kreise zum heftigen Feind der libertinären Royal Princess Victoria machte. Sie las Darwin und Marx und verkehrte mit namhaften liberalen Denkern und Politikern und hatte sicher Francis Bacon, (das deutsche Synonym für England und fundamentalem Utilitarismus) im Hinterkopf.

Nebenbei bemerkt: sie war die erste Hoheit, die im „Weißem Schloß“ auf Usedom, (der Insel, die zur späteren Heimat von Susanne Kandt-Horn wurde), mit dem kleinen Wilhelm, dem zukünftigen Wilhelm II,
‚Urlaub machte‘. Die Royal Princess hatte die Welt im Auge und Bismarck den deutschen National-Staat, den in der Petrischale geheimer Hinterzimmerdebatten zu zeugen er sich anheischig machte. Tatsächlich sollte der Nationalstaat Europas größter und gefährlichster Exportschlager werden. Die forcierte Suche nach oder aber auch die Produktion von gemeinsamen, alles zusammenhaltenden deutschen Kulturwurzeln, welche, woher sie immer kamen, aus verwunschenen Romantizismen oder triumphalem imperialistischen Selbstbewußtsein, aus frohlockenden Beschwörungen einer neuen besseren Weltordnung oder aus der Sehnsucht nach den versunkenen Zeiten und ihren großen Männern unter Nitzscheanischem oder Huch‘schem Firnis, all diese vorgeblichen oder tatsächlichen Kulturwurzeln konnten begeistern, doch weder den königlich-kaiserlichen Hof noch die Großherzöge in ihren Ländern, noch die Junker, die Wirtschaft, und schon gar nicht das in vielerlei Klassen, Gesinnungen und Parteien zersprengte Volk haltbar zusammenschließen. Im Gegenteil, sie fächerten es offenbar immer weiter auf, obwohl die übergroße Mehrheit einen einigen deutschen Staat ersehnte. Da kam das „Augusterlebnis“ und trieb alle Beteiligten wie eine Bilderbuchvorführung der boviden Strukturen des homo sapiens in einem rasenden ungeheuren Aufbruch ins Nichts.

SKH „Liegende am Meer“

SKH „Liegende am Meer“, 1970, Öl/Hf, 65 x 82 cm

Das 20. Jahrhundert war ergriffen von der heute so genannten ‚Passion des Realen‘. Es wurde bereits gesagt: Das 20.Jahrhundert ist die Passion des Realen und es war diese Passion, die die Kriege, die Gulags und die die Völkermorde brachte. Wir wollen nun sehen, inwieweit die Vernunft dem Realen nahe kommen kann oder ob der Satz eines Riesen jener Tage gilt: „durch Nichtdenken sich der Realität nähern“, (Wittgenstein, Tractatus), .was den Gedanken nahelegt, daß es nicht möglich ist, sich durch Denken (gemeint ist das griechisch erzogene Denken) der Realität, (dem am meisten vergessenen Wunder), zu nähern. Instinktiv, wohl kaum bewußt, folgten alle Passionisten, ob sie nun Stalin, Mao, Pol Pot, Hitler, Tito, der Kaiser von Deutschland, ja, auch der Kaiser von China, Amerika, Bakunin der Anarchist, Lumumba, Julius Nyerere, Fidel Castro, Genet, der Anarchist, Charles Fourier  [4], (Herr Fourier, ich liebe Sie!), oder August Engelhardt, der Kokovare, [5] Dr. Nimuendajú (Curt Unckel) und die Eingeborenen des Mato Grosso oder Nietzsche hießen – folgten sie alle dem biblischen Vorbild.

Sie alle rekurrierten eine glückliche Endzeit auf eine glückliche Ur- bzw. Paradieszeit. Merke: alle Kulturen, die eine glückliche Anfangszeit der Menschheit irgendwie im Gedächtnis haben, halten das Glück auf Erden für möglich, was ja ein starkes Stück ist. Sie alle haben den unglaublichen Keim zur Passion des Realen in sich und stehen den Abendländern näher im Guten und im Bösen, als die das für möglich halten. Sie alle haben das Zeug zur Revolution und Terrorismus (die Verneinung der Welt) ist nicht eigentlich ihr Ding.

Die Nationalsozialisten spielten mit germanischen Vorzeiten.

SKH: Frauen Möwen Steine

SKH, „Frauen, Möwen, Steine“, 1972,Öl/Hf,40 x 50

Die deutschen Kaiserlichen huldigten den Wikingern und bauten an den Promenaden der aufkommenden Seebäder märchenhafte Holzhäuser, welchen nur noch fehlte, daß sie wie Baba Jaga’s Hütte auf einem Bein durch die Ostsee hüpften. Daneben errichteten sie steinerne Villen, die mächtiger und steinerner waren, als alles, was seit der Zeit der Kyklopen im Nordischen Kulturkreis errichtet worden war. Die Kommunisten verwiesen auf eine klassenlose Gesellschaft im bis heute ungebrochenen Glauben, sie wüßten, was das ist. Aber genau an diesem Punkt könnte die Kritik ansetzen, denn in der klassenlosen Gesellschaft lebt man aneignend und sehr individuell. Es gibt keine Termine, keine Schule, keine Schrift (die Pfotenabdrücke der Erinnerungskultur), keine Arbeit – (hier finden wir vielleicht den Grund, warum das Abendland von Königen errichtet wurde, die Arbeit ablehnten, die das Funktionieren verachteten und auf ihre Schreiber, die ihre Schreiben aufsetzten und ihre Vorleser, die ihnen die Schreiben der Schreiber der Könige vom anderen Ende der Welt vorlasen, hinabsahen, denn selbstverständlich arbeiteten sie nicht und verstanden nichts und lasen nichts, sie definierten sich durch gar nichts, weil sie gar nichts definierten, sie ‚waren‘ und sonst nichts – (der Beginn des Abendlandes war groß, vergiß das nicht, Abendland!) – es gibt nur Kunst, kein Denken in Zeit und Raum, aber Abenteuer, unendliche Gegenwart, die Feier des Seins und die sehr existenziellen Umarmungen der Mutter Natur.

Es gibt überhaupt keine Treppengeländer und kaum was zum Festhalten. Man lebt im Hier und Jetzt und muß alles erfinden und sehr schöpferisch sein. Gar nicht wenige Sprachen zeigen noch Spuren jenes Denkens im Unend-lichen, jenes atemberaubenden Denkens der stets und ständig Atemberaubten, der Hingerissenen, der Hingegebenen, der Einzigartigen, Unvergleichlichen, der leuchtenden Riesen der Vorzeit. [6] Will sagen: das Denken in Zeit und Raum, (das Denken, das sich nicht der Realität nähern kann, wie Wittgenstein meint), ist ziemlich jung und die klassenlose Gesellschaft etablierte sich in diesem Raum des Denkens ganz sicher nicht.

Die sogenannte klassenlose Gesellschaft war eine Gemeinschaft von unvergleichlichen Autonomen. Über den Schönen Urmenschen berichtet manchmal ein Wispern in Anna Susannas Bildern, zu der Zeit, als sie dann Susanne hieß. Da hatten die Verwandten im Westen bereits Demokratie und diese letztere war es, meint die Endunterzeichnende, die den Sieg davon trug in der blutigen Schlacht um die Neuschöpfung des Wirklichen. Mit der Demokratie verbindet sich eine Zeit von Leichtigkeit. Sie gibt dem Einzelnen die Ehre. Sie rekurriert auf Unplanbares. Es ist jene Offenheit, die macht, als hätte sich der Schöpfer höchstpersönlich unter die Menschen gemischt, als hätte er noch jenseits der demokratischen Grenze in der diktatorischen DDR Exklaven gegründet, wie geschehen auf der Insel Usedom, auf der sich Susanne eines Tages ansiedeln würde. Die übergroße Mehrzahl der Passionisten des Realen jedoch operierten mit geschlossenen Systemen. Sie machten aus der Welt ein Gefangenenlager mit Schlachthaus. Der Titel der Nobelpreisrede von Friedrich August von Hayek: „Anmaßung von Wissen“, (1974, Stockholm) kann zu diesem Thema beitragen, egal, ob man sein Fan ist oder nicht. Und, damit kein Zweifel bestehe – es geht da nicht gegen Wissen, es geht da gegen die Anmaßung von Wissen.

Will man der Passion des Realen folgen, kann man die Realität durch Denken (nach griechischer Art) verpassen. Anders gesagt: man hüte sich vor erdachten (spekulativen) Utopien! Eine neue Realität kann man nur mit dem individuellen Menschen und einem offenen System schaffen – das ist die Demokratie. Das war sie. Die heute durch die Anmaßung von geheimdienstlichem Wissen schlechthin zum Untergang verurteilte Demokratie war der Sieger im Wettbewerb der Passionen des Realen und die Menschen hatten seit 10 000 Jahren, seit ihrer Seßhaftwerdung, nicht mehr so eine herrliche Zeit, wie zum Ende des 20.Jahrhunderts im Umfeld der siegreichen Demokratien. Susannes Bilder berichten darüber und manchmal, in bestimmten Anmutungen, haben sie es sogar, dieses ungeheure Glück, dem Augenschein nach zu urteilen.

SKH: Abschied von Odysseus

SKH „Abschied von Odysseus“, 1980, Öl/Hf, 88 x 98 cm

Fussnoten

  1. Karl May,Briefwechsel, Bamberg-Radebeul 2013,S.23 –1901. Hrsg. Joseph Kürschner
  2. Guido Knopp „Das Weltreich der Deutschen“München 2010, S.150
  3. Karl May – Briefwechsel mit Josef Kürschner“ Bamberg-Radebeul 2013, S. 30
  4. 6kraska6 schreibt im Internet : "So wie Rimbaud mit seiner Lyrik die »Entregelung der Sinne« vorantrieb, begünstigt Fourier eine Art Entregelung des Denkens "
  5. s.Christian Kracht „Imperium“ 
  6. Das Alt-Hebräische konstruiert die Zeiten (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) noch recht abweisend unter Verwendung verschiedener Modi, welche letztere allein und zu Scharen die Verben flektieren.