31. Die Malerin II

Das Glück zu tun, was sie wollte, war  so befreiend und überwältigend, daß sie den Schrecken über ihren neuen Stil, das befremdete Schweigen der Freunde auf Usedom und die laute Kritik, die sie dafür bei den ferneren Kollegen oder  Verbandsfunktionären in Rostock bekam, aushielt und weitermachte.

Die neuen Arbeiten zeigte sie der Endunterzeichnenden als eine der ersten und die freute sich und rief „Das ist es! Jetzt hast du es!“ „Ich werde mir viel Ärger dafür einhandeln“ sagte sie und die Endunterzeichnende: „Aber du  bindest große  Kräfte zusammen. Irgendwann wird man es bewundern.“ „Es ist gar nicht von mir. Es hat ein anderer gemalt. Ich möchte meinen Namen ändern“ sagte sie. „Wie möchtest du denn heißen?“

SKH: Caritas

SKH. – „Charitas 72“ 1972, Öl/Hf, 80 x 60 cm

„Ich möchte wieder Nebe heißen.“ „Nein, so heißt du jetzt nicht mehr. Ändere deinen Namen nicht. Den jetzigen hat dir das Leben und nicht die Einsicht gegeben. Das Leben ist die größere Autorität, glaube ich.“ Tatsächlich hatte Susanne ihr Elternhaus verlassen und sich auf einen weiten Weg gemacht. Und als sie endlich angekommen und sicheren Boden unter den Füßen fühlte, da war sie wieder zu Hause. Hallo Odysseus! Schöne Helena, sei gegrüßt! Nicht nur die Erde, auch die Welt ist kugelförmig. Früher oder später kommt man wieder zu Hause an, wenn man nur weit genug weggegangen und die Welt offen und man nicht unterwegs auf der Strecke geblieben ist. Die Spätromantik hatte aus der nationalen Lust am Klassizismus und seiner Aufklärung ein deutsches Arkadien gemacht, das zum Inbegriff des deutschen Sonderwegs wurde (s.o. Geibel). So versammelte sich das teutonische Arkadien mit dem jauchzenden Ja zum Sein des Säuglings, (das ist die Paradieszeit), und den speziellen Ordnungsprinzipien der klassischen Moderne auf ihren Bildern zu einer einzigartigen Zusammenkunft.

Thematisch nahm SKH einiges vorweg, was heute in der bundesdeutschen Demokratie gang und gebe ist:

z.B. die Einbeziehung der Frauen in die politische und ökonomische Verantwortung, ihre, der Frauen, unverzichtbare Stimme in Sachen Weltfrieden,

SKH: Traeumerin

SKH „Träumende“ ,1982, Öl/Hf. 68 x 73 cm

Verständigung und menschliches Maß. Ihr Bild „Merkwürdige Zusammenkunft oder Napoleon war nicht geladen“ könnte man als eine erste gemalte Vision der Runden Tische verstehen, welche letztere zu einem tragenden Element der Friedlichen Revolution von 89 wurden und heute die bundesdeutsche parlamentarische Kultur ergänzen, bereichern und beleben.

Die Konsequenz des ‚Arkadischen‘ in ihrer Malerei, das eigentlich vom schönen Urmenschen zeugt in der vollkommen offenen Abgeschiedenheit seines begeisterten Hier und Jetzt – die Konsequenz dieses Arkadischen war die Verallgemeinerung des Urmenschen in der monumetalen, anti-intimen, antibürgerlichen, ungemütlichen, hochoffiziellen, verkündenden Bildsprache Susannes und (da es eine Verallgemeinerung des schönen Urmenschen niemals geben kann, denn er ist nicht, wenn er nicht einzigartig ist), wurde diese ihre Formalisierung vom verdutzten DDR-Establishment zur Normative umgedeutet. Aus ihrem Menschenbild wurde der gute Soll-Menschen abgeleitet, der vernünftige, den es zu erschaffen und zu erziehen gilt. Wie man weiß, kommt derartiges Diktaturen gelegen. Sie wurde also zur Direktive vernutzt. Dem hat sie Vorschub geleistet mit gefährlichen Bildtiteln, wie „…eines Tages werden die Menschen wie Brüder leben“, …

SKH „Eines Tages werden die Menschen wie Brüder leben“,

SKH „Eines Tages werden die Menschen wie Brüder leben“, Gobelin (ausgeführt von der Halleschen Textilmanufaktur unter Leitung von Ilse-Maria Krause), 1978, 410 x 200 cm, Rostocker Messe- und Stadthallen m b H

Da SKH, obwohl alles andere als einfältig, aus einem nicht analytisch begehbaren Zustand heraus malte, war ihr diese Verwertung offenbar nicht bewußt oder sie hielt das für eins der unvermeidlichen Mißverständnisse, die unter Menschen vorkommen oder für eine hinzunehmende Tatsache von der Art, daß es immer Menschen geben wird, die sowieso immer alles falsch verstehen. Die Endunterzeichnende glaubt, daß sie sagen wollte: Seht, den Mensch, „Man baut, was man nicht mehr kennen kann“.  [1]

Wie dem auch sei, der Weggegangene und Wiedergekommene hat nun eine Vernunft, die ihn nicht hat. Er ist der Andere, der das Ansehen mitbringt, denn er hat das Andere gesehen, das nicht das Zuhause ist. Er hat ihm freiwillig oder unfreiwillig Achtung gezollt und dieses hat ihn angesehen. Und als er wieder zuhause war, war dort eine grüne Wiese, wo man mit seinen Lieben saß und mit goldenen Kugeln spielte.

Genauer gesagt: Die Wiese war der neue Rahmen und der neue Rahmen war die Fläche, der Malgrund, das Bild. Alles, was SKH nun machte, setzte sie auf die Fläche. Sie spielte mit den Dingen auf ihren Bildern, so, wie es einst den Asen prophezeit war, am Ende von Zeit und Raum im grünen Gras mit goldenen Kugeln zu spielen.

SKH „Zeus und Danae“

SKH „Zeus und Danae“ 1987, Öl/Hf, 100 x 90 cm

Fussnoten

  1. Ausspruch von Gregor Schneider